Licht fällt durch eine kleine Öffnung in einen dunklen Raum («camera obscura») und bildet, auf der dieser Öffnung gegenüberliegenden Wandfläche, das Licht der Aussenwelt ab. Bereits Platon hat wohl bei seinem Höhlengleichnis an dieses Phänomen gedacht ...

In der Renaissance war die Camera obscura zu einem tragbaren Werkzeug geworden, welches auch von Malern eingesetzt wurde. Im Jahre 1826 fixierte Nicéphore Nièpce die erste Fotografie (Heliographie) mit seiner Camera obscura. Die kleine Lichtöffnung ersetzte man im letzten Jahrhundert durch hochkomplexe Sammellinsen/Objektive mit hoher Lichtstärke und das Bild wird in der Kamera präzise auf Film, heute über digitale Lichtwandler, festgehalten.

Der Fotograf Jürg Haas setzt die ursprüngliche Technik bewusst ein: Auf das Kamera-Gehäuse wird nicht das Objektiv gesetzt, sondern eine feine Metallscheibe montiert. Diese Scheibe besitzt ein winziges, nadelstichgrosses Loch (Pinhole).

Jürg Haas: «Meine ersten Experimente mit damals selbst angefertigten Gehäusen liegen wohl zwanzig Jahre zurück. Fotografieren mit dieser Ausrüstung schränkt ein, zum Beispiel durch lange Belichtungszeiten oder die Bestimmung des Sujets. Pinhole-Photographie öffnet mir aber gleichzeitig faszinierende Möglichkeiten: Die Bilder sind technisch weicher, zeichnen wohl weniger scharf, besitzen jedoch unendliche Schärfentiefe, nehmen die räumliche Wahrnehmung zurück, wirken eher weich, wie gemalt und das Licht scheint zu fliessen, wie spontan aufgetragenes Aquarell.»

Jürg Haas‘ Foto-Bilder sind Interpretationen eines Moments, das Licht selbst hat sie mit glühender Kraft und sanfter Aura gemalt ... oder zurück zu Platon: ... in den Bildern ist mehr zu sehen, als was wir sehen ...

Paul Güntert
ehem. Leiter Nikon Foto-Galerie Zürich